Bewertung: 8
1. Father War
Im Metal existieren mittlerweile unzählige Promotion-Mechanismen, mittels derer man mit relativ hoher Trefferquote zügig ein doch beachtliches Publikum anlocken kann, ohne allzu viel Musikalisches dafür preisgegeben haben zu müssen. Beispielsweise engagiert man einen bekannten Artwork-Künstler und - dafür ist meine Wenigkeit besonders anfällig - setzt auf ein prägnantes Motiv, setzt sich für sein Album in die Studioräumlichkeiten eines besonders wichtigen Produzenten, bedient gefällige lyrische Themen oder zählt einfach nur die Bands und Projekte auf, in denen man bereits beteiligt war; was natürlich besonders gut funktioniert, wenn diese auch noch Rang und Namen hatten. Zusammen mit der hundertprozentigen Gewissheit, dass sich all das im (Anti-)Social-Media-Zeitalter schon irgendwie verbreiten wird, bildet sich daraus schon mehr als die berühmte halbe Miete. Auch bei HJELVIK, dem neuen Spielplatz von Erlend Hjelvik (ex-KVELERTAK), und ihrem Debüt "Welcome To Hel" haben gleichzeitig mehrere Faktoren dieses Systems zugeschnappt, wenn sich zur Nennung der vorherigen künstlerischen Unternehmungen noch Joe Petagno mit seinem durchaus coolen Covergemälde hinzugesellt und das Narrativ der nordischen Mythologie exhumiert wird.
Was mich umgehend ein wenig störte und stutzig machte, war der ultimative Fokus auf Erlend Hjelvik als Solo-Artist, der die Rolle des bärtig-grobschlächtigen Wikingers immerhin ganz ordentlich transportiert, obschon es sich bei HJELVIK eigentlich um ein Quintett handelt, zu dem mehr als fähige Musiker wie Kevin Foley (Drums; ex-ABBATH) und Remi Andrè Nygård (Gitarre; INCULTER), die im Vorfeld mehr oder minder beiläufig vorgestellt wurden, zählen. Dass Hjelvik bei KVELERTAK mehr Leistung erbracht hat als ausschließlich in's Mikrofon geschrien zu haben, steht freilich außer Frage - auch deshalb, weil diese sich nach seinem Fortgang durchaus verändert haben. Und über den Umfang des Beitrags seiner neuen Kollegen, die wissen dürften, worauf sie sich eingelassen haben, wird man sich vermutlich ebenfalls streiten können, wenn schon offenkundig von einem einem „Solo-Projekt“ die Rede ist. Doch natürlich folgt man hier auch einem erfolgsversprechenden Konzept, das aber gleichzeitig Fragen - darunter eine besonders drängende - aufwirft: Wie lange wird die Formation aus Norwegen, Frankreich, Irland und Amerika überhaupt bestehen, wenn die Besatzung, die das Drachenschiff gen unbekanntes Land rudern soll, bereits jetzt zur Statistenfunktion degradiert wird? Liebe Leser, mir ist dabei durchaus bewusst, dass das auch bei anderen Projekten so vorkommt, was wiederum nicht zwingend das eigentliche Problem ist. Nur macht es das insbesondere bei HJELVIK nicht besser, weil man genau das, also den Projekt-mit-Berufsmusikern-Charakter (Söldner hätte falsch geklungen), diesem Werk leider auch anhört und eine organisch harmonierende Band vermisst.
Für den ein oder anderen KVELERTAK-Nostalgiker wird es sicherlich ausreichen, dass "Welcome To Hel" verstärkt zu den Wurzeln zurückkehrt, doch ist das Endergebnis teilweise nicht nur plump, sondern auch vorhersehbar, ja, irgendwie bieder. Unauffällig rauschen die ersten beiden Songs nach bekanntem Black'n'Roll-Schema durch, ehe "Helgrinda", das im Mittelteil kurzzeitig an DISSECTION erinnert, und "The Power Ballad Of Freyr" mit seiner irrsinnig eingängigen Leadgitarre die Ödnis ebenjenen Auftakts durchbrechen. Führen HJELVIK mehr solch wertiger Fracht über die Weltmeere, hätte ich euch meine kritischeren Worte ersparen können, doch in der Realität kommen auf vier oder fünf gute Stücke ("Necromance" mit seinen erneuten schwedischen Schwarzmetall-Vibes und Clean Vocals sowie das rockige "North Tsar" kann man guten Gewissens addieren) eben vier oder fünf unspektakuläre, austauschbare, weswegen "Welcome To Hel" als Aperitif-EP wesentlich besser geeignet gewesen wäre. In seiner tatsächlichen Form hingegen entsteht der Eindruck, dass in den zwei Jahren, die Hjelvik mutmaßlich in diese Wiederkehr investiert haben soll, mehr am Image als an der Musik gefeilt wurde. Hartes Urteil, klar, aber letztlich ist nunmal das ausschlaggebend, was man hört, und gewiss nicht das, was hätte sein können, wenn. Oder weil Typ X in Band X beteiligt war und mit seinem neuen Trupp den beliebten Stil praktiziert - wenn auch nur halbgar -, dem Band X den Rücken kehrte. (STORMBRINGER 2,5 / 5)
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