1. Yesterwynde
NIGHTWISHs neues Album «Yesterwynde» ist nicht bloss ein Album, sondern eine Erfahrung, die herausfordert und fesselt. Seit ihrem letzten Studio-Album «Human :II: Nature» sind über vier Jahre vergangen, doch nun hat das Warten ein Ende, denn das zehnte Studio-Album der Band hat das Licht der Welt erblickt. Wie im Vorfeld erwartet, ist «Yesterwynde» keine leicht zu verdauende Platte. Das Eröffnungs-Stück ist schon eher untypisch für ein Nightwish-Album, denn es fehlt die Explosivität oder Eingängigkeit. Dafür beginnt es mit einem Chor, Akustik-Gitarre und Uilleann Pipes. Man darf sich aber nicht vom ersten Song täuschen lassen, denn bereits «An Ocean Of Strange Islands» macht schnell klar, warum dieses Album als das Härteste in der Diskografie der Band angepriesen wurde. Das fast 10-minütige Kunstwerk ist das längste des neuen Werkes und weist alle Nightwish-Elemente auf. Massive Gitarren-Riffs, ein dröhnendes Orchester und kraftvoller Gesang! «The Antikythera Mechanism» macht da weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hat. Die vorab veröffentlichten Singles «The Day Of...» und «Perfume Of The Timeless» folgen direkt nacheinander. Aufgrund der beiden Tracks wurde das Ganze bereits im Vorfeld als zu weich, zu experimentell und schlecht abgemischt verschrien. Sie gehören vielleicht nicht zu den prickelndsten Songs, fügen sich jedoch im Gesamt-Konzept gut ein. «Sway» ist einer der leichteren Tracks und erlaubt es Troy Donockley, mit seinem Gesang zu glänzen. «The Children Of 'Ata» besitzt eine Art 80er Jahre-Vibe, der durch kraftvolle Gitarren-Riffs und beeindruckende Orchestrierung ausgeglichen werden soll. Ein Highlight der Platte ist das aussergewöhnliche «Spider Silk». Der Song zeigt die grosse Bandbreite, von einer jazzigen Atmosphäre bis hin zu einem explosiven Refrain, von bekannten Nightwish Trademarks bis zu völlig neuen Elementen. Floor Jansens stimmliche Leistung ist auf dem gesamten Album extrem stark, aber bei diesem Song übertrifft sie sich selbst. Das vorletzte Stück, «The Weave», besticht durch abwechslungsreichen Einsatz des Orchesters und durch die Verwendung eines bekannten Riff-Musters. Bassist Jukka Koskinen, der erst 2022 offiziell zur Band stiess, ist in diesem Stück besonders präsent. Im Gegensatz zu den letzten Releases von Nightwish schliesst «Yesterwynde» nicht mit einem 20-minütigen Epos, sondern mit dem sanften und schönen «Lanternlight» ab. Dieser führt die Chose zu der gleichen Ruhe zurück, mit der die Platte begann. «Yesterwynde» ist überraschend und fordert den Zuhörer sowohl thematisch als auch kompositorisch heraus. Es ist der Beweis dafür, dass Nightwish sich auch nach fast dreissig Jahren immer noch neu erfinden können, ohne ihren typischen Sound zu opfern. Die zwölf Songs zeigen nicht nur die Songwriter-Qualitäten eines Tuomas Holopainen, sondern offenbaren, mit was für einer grossartigen Gruppe von Musikern er sich umgibt. «Yesterwynde» erschliesst sich einem nicht beim ersten Hördurchgang, aber seine Kern-Aussage ist bereits nach einem Durchlauf klar. (METAL FACTORY 8,7 / 10)
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